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NRZ, 05.03.2011

„Die Gruft wird nicht entlastet"

Der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Jörg Cosar und Professor Heinz Falk von der Bürgerinitiative streiten über den Sinn der Querspange „Eichenallee". Einig sind sich beide in einem Punkt: Die Querspange wird das Verkehrsproblem der Gruft nicht lösen. Gebaut werden sollte sie nach CDU-Sicht trotzdem: um die Tiergartenstraße zu entlasten.

Andreas Gebbink

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In der Sache sind sie sich nicht einig, aber verstehen tun sie sich trotzdem: Heinz Falk (links) und Jörg Cosar draußen am Ort des Geschehens in Rindern.

Foto: Heinz Holzbach

Kleve. Über diese Straße lässt sich trefflich streiten. Ist sie überflüssig wie ein Kropf? Oder trägt sie dazu bei, das Verkehrschaos an der Gruftkreuzung zu verhindern? Die Befürworter betonen die Verkehrsberuhigung der Tiergartenstraße und sehen in der Querspange einen wichtigen Baustein für die Vollendung des Klever Rings. Die Gegner ärgern sich über die Verkehrsverlagerung, die Rindern mehr Lärm bescheren wird und die Gruft mitnichten entlaste.

Zündstoff für ein Streitgespräch. Die NRZ bat den CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Jörg Cosar und Prof. Heinz Falk, Sprecher der Bürgerinitiative, an einen Tisch, um über das Für und Wider der Straße zu diskutieren.

Frage: Herr Cosar, warum braucht Kleve diese Querspange?

Jörg Cosar: Kleve braucht eine Verbesserung der Infrastruktur. Ich sehe in der Querspange eine Steigerung der Lebensqualität auf der Tiergartenstraße und der Aufenthaltsqualität im Bereich des Forstgartens. Auf der anderen Seite sehe ich natürlich die Belastung für Rindern, doch ich denke, dass wir die Bundesstraße aus der Innenstadt herausholen sollten. Schön ist, dass man die Tiergartenstraße verkehrsberuhigen kann, ähnlich wie das vor dem Kreishaus geschehen ist.

»Die Querspange ist eine logische Folge der Weiterführung des Klever Rings«

Frage: Die Beschlussvorlage für die Querspange argumentiert allerdings mit einer Entlastung der Gruftkreuzung und nicht mit einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität der Tiergartenstraße.

Heinz Falk: Die Vorlage für den Planungsauftrag - geht ganz genau davon aus, dass an der Kreuzung Gruftstraße / Tiergartenstraße in Stoßzeiten ein - wie Jürgen Rauer sich ausdrückt - „Verkehrschaos" entsteht. Und das ist die Begründung, warum der Landesbetrieb Straßen NRW diesen Auftrag bekommen hat. Denn wenn der Bund etwas finanzieren soll, dann macht er das normalerweise nicht, weil eine Stadt eine Flaniermeile haben möchte, sondern aus verkehrstechnischen Gründen. Insofern ist das für die formale Vorgehensweise, das Vorhaben mit einer Flaniermeile zu begründen, schwierig. Und es ist sehr zweifelhaft, ob der Bund dieses auch befürworten würde. Das heißt, ohne die Begründung einer verkehrstechnischen Notwendigkeit wird man das Projekt nicht durchbringen können.

Jörg Cosar: Da bin ich d'accord. Ich sage meine Meinung als Stadtverbandsvorsitzender der CDU. Ich bin nicht die Verwaltung. Die Begründung, die die Verwaltung am Anfang gesetzt hat, war mir auch zu wenig und nicht ganz einleuchtend.

Heinz Falk: Ja, aber Herr Cosar, wenn die Begründung jetzt geändert wird, dann heißt das natürlich, dass für den Bund überhaupt kein Grund mehr besteht, diese Bundesstraße zu verlegen und dafür viel Geld auszugeben.

Jörg Cosar: Was Sie jetzt durch die Verkehrszählung festgestellt haben, ist einleuchtend. Die Querspange wird keine Entlastung für die Gruftstraße im Bereich untere Kreuzung bis zum griechischen Restaurant bringen. Aber dass die Gruft-Kreuzung durch den Linksabbiegerverkehr, der jetzt von der Tiergartenstraße auf den Klever Ring möchte, entlastet wird, ist doch unstrittig. Sie werden jetzt vielleicht sagen, das fällt nicht ins Gewicht, aber immerhin. Ich bin der Meinung, dass man Bundesstraßen aus den Innenstädten herausholen sollte. Die Querspange ist für mich eine logische Folge der Weiterführung des Klever Rings. Natürlich ist das nur die zweitbeste Lösung, aber die Planung für die große Anbindung an den Kranenburger Tennisschläger ist nun mal nicht machbar.

Heinz Falk: Die Spange ändert in der Tat nur etwas für die Linksabbieger auf der Tiergartenstraße. Alle anderen, die geradeaus in die Stadt wollen oder in die Oberstadt, müssen wieder vom Hotel Cleve zurück zu dieser Kreuzung. Die Entlastung ist sehr gering.

Jörg Cosar: Aber für den Bereich Forstgarten erzielen wir eine signifikante Verkehrsberuhigung. Und der Tiergarten wird von der Bevölkerung sehr gut angenommen.

Heinz Falk: Aber die Tiergartenstraße wird ja in keiner Weise verkehrsberuhigt, wenn Sie von 1700 Pkw runterkommen auf 1500. Das ist zwar eine Verminderung, aber das ist doch nicht gravierend. Aber das spielt ja auch gar keine Rolle. Wir haben eine Beschlussvorlage des Rates mit der Begründung, die Gruftkreuzung zu entlasten.

Jörg Cosar: Wir erzielen durchaus eine Verkehrsberuhigung, wenn der Rat beschließt, die Tiergartenstraße zurückzubauen.

Heinz Falk: Moment, der Landesbetrieb hat einen Auftrag bekommen aufgrund der Formulierung im Beschlussvorschlag, der verkehrlichen Notwendigkeit. Richtig ist, dass ein Umweltverträglichkeitsgutachten erstellt worden ist, in dem steht, dass ein Teil des Landschaftsschutzgebietes entwidmet werden muss und damit aber im Bereich Kurhaus und Forstgarten eine Entlastung auftritt. Das ist etwas Positives. Aber man ist immer davon ausgegangen, und so hat das auch Verkehrsplaner Rauer dargestellt, dass ohne die Maßnahme Querspange ein Verkehrskollaps im Bereich Gruftkreuzung auftritt.

»Wenn die Spange nicht kommt, bleibt die Tiergartenstraße eine Bundesstraße«

Jörg Cosar: Ich komme noch mal auf mein Argument zurück: Wenn die Querspange nicht kommt, dann wird die Tiergartenstraße als Bundesstraße festzementiert. Meine Kinder und Kindeskinder werden dann eine Änderung nicht mehr erleben. Dann haben Sie vielleicht Recht - und ich bin traurig, weil ich damit keinerlei Steigerung der Lebensqualität erreicht habe. Für mich persönlich ist der Bereich Forstgarten einer der schönsten, den die Stadt hat. Und zurzeit ist es fürchterlich, wenn man vom Forstgarten in den Verkehr reinfällt.

Heinz Falk: Der geringen Verbesserung am Forstgarten steht aber eine gravierende Verschlechterung des Gebietes zwischen Eichenallee und Wasserburgallee, welches integraler Bestandteil der Moritz von Nassauschen Gartenanlagen ist, gegenüber. Außerdem mehr Verkehrslärm an der Landwehr.

Frage: Ihre Argumente sind deutlich geworden. Ein Blick in die Zukunft: Der Verkehr aus den Niederlanden wird wachsen. Da ist es doch gut, die Autos aus der Stadt zu halten.

Heinz Falk: Der Verkehr wird zunehmen. Ich sehe nur, dass anhand der jetzigen Zahlen die Entlastung eine Marginalie ist. Herr Cosar, Sie haben ja Recht. Es ist unschön, dass so viel Verkehr am Forstgarten ist. Nur dies verhindert man nicht durch die Querspange. Mein Punkt ist: Wir brauchen eine etwas generellere Lösung, die auch darauf Rücksicht nimmt, dass der Verkehr aus den Niederlanden zunehmen wird. Und die fehlt.

Gleichwohl: Der meiste Verkehr an der Gruftkreuzung kommt nicht aus den Niederlanden, sondern ist Quellverkehr: Leute, die von der Oberstadt in die Unterstadt wollen - oder umgekehrt. Und die wollen das auch, wenn die Querspange da ist.

Jörg Cosar: Der Forstgarten, die Kanalanlagen, das Amphitheater, das Museum - das sind absolute Naherholungsgebiete. Und da gibt es jetzt eine Bundesstraße! Das ist mein Petitum. Ich gestehe Ihnen ja zu, dass Sie verkehrsfachlich da näher dran sind als ich. Ich erlaube mir aber auch, mein Bauchgefühl sprechen zu lassen. Weil ich da auch aufgewachsen bin und den Forstgarten einfach schön finde.

Heinz Falk: Ja sehen Sie, ich finde ihn auch schön.

Frage: Verhindert die Querspange eine große Lösung B9neu?

Jörg Cosar: Die Planung für die Anbindung des Tennisschlägers stand ja. Nur das sind ja jetzt Dinge, die wir nie mehr verwirklichen können. Da bin ich Realist genug.

»Die Situation an der Gruft wird sich definitiv nicht verbessern«

Heinz Falk: Wenn die Querspange realisiert würde, hätte dies auch Auswirkungen auf weitere Straßenbaumaßnahmen. Es ist sicher so, wenn Straßenbau NRW diese Maßnahme macht, dann werden vorläufig keine größeren Projekte mehr angeschoben.

Jörg Cosar: Also mit dieser Argumentation hätten Sie mich natürlich gezwungenermaßen auf Ihrer Seite. Denn natürlich ist die Ostumgehung in Kellen wesentlich wichtiger. Aber diese Straßen haben absolut nichts miteinander zu tun, sonst müsste ich natürlich gegen die Querspange sein, selbstverständlich. Aus verkehrspolitischer Sicht gibt es nur eine wichtige Straße: das ist die B220neu.

Frage: Herr Cosar, ihre Argumente für die Querspange haben relativ wenig mit dem zu tun, was in der Beschlussvorlage steht. Eigentlich müsste sie geändert werden.

Jörg Cosar: Das weiß ich nicht. Das ist für mich auch nicht ausschlaggebend. Die Argumentation der Beschlussvorlage ist für die Stadtverwaltung schlüssig und ich sehe Vorteile in der Entwicklung für die Tiergartenstraße. Ich weiß, dass man in anderen Städten auch Bundesstraßen aus der Innenstadt herausnimmt, um die Verkehrsbelastung zu verringern. Anders kriege ich die Bundesstraße ja auch nicht raus. Wie soll das gehen, wenn die Querspange nicht gebaut wird? Das ist für mich das Hauptargument.

Heinz Falk: Gut, aber die Wirkung ist nur eine Beruhigung für den Forstgarten. Was wir brauchen, ist eine größere Lösung, die auch eine Entlastung der Gruft bringt. Die Vorlage der Stadt ist nicht stichhaltig. Die Stadt hat keine Untersuchung durchgeführt. Und bei der Verkehrszählung ist eindeutig herausgekommen, dass die Notwendigkeit für diesen Straßenbau nicht gegeben ist.

Jörg Cosar: Bundesstraßen werden gebaut, um den Durchgangsverkehr zu beschleunigen. Durch die Spange werden die Autos vom Ring Richtung Nütterden schneller unterwegs sein.

Heinz Falk: Die schon, aber alle anderen nicht. Und die Verkehrssituation an der Gruft wird definitiv nicht verbessert.

Jörg Cosar: Aber der Verkehrsfluss wird sich um mindestens 10 Prozent mindern.

Heinz Falk: Wem nützt das?

Jörg Cosar: Dann können wir mit der Tiergartenstraße als Kulturgut machen was wir wollen. Das können wir im Augenblick nicht - und dann auch in 50 Jahren nicht.

Heinz Falk: Sie können eben nicht machen, was sie wollen. Der Verkehr wird nur geringfügig reduziert ...

Jörg Cosar: ... Ich kann die Geschwindigkeit drosseln, ich kann die Pflasterung ändern, ich kann den Eisernen Mann in die Mitte stellen, ich kann links und rechts daran vorbeifahren, kann dort spazieren gehen, Fahrrad fahren. Jeder wird die Straße nutzen.

Heinz Falk: Wenn da noch 70 Prozent des jetzigen Verkehrs fließt, wird da keiner auf der Straße spazieren.

Jörg Cosar: Aber sie wissen doch jetzt noch gar nicht, wie viele Leute auf die Querspange abbiegen werden.

Frage: Die Verbindung von Ober- und Unterstadt bleibt ein Hauptproblem. Welche Lösungsansätze gibt es?

Heinz Falk: Aufgrund der schwierigen topographischen Lage gibt es ja nur zwei Möglichkeiten in die Oberstadt zu kommen: Entweder über den Klever Ring oder über die Gruft. Und hier geht es langfristig nicht nur darum, wie man diese eine Stelle entlastet, sondern grundsätzlich ein Verkehrskonzept entwickelt, das Wirkung hat. Die Gruftlösung ist absolut unakzeptabel. Das liegt aber daran, dass es keine vernünftigen Alternativen gibt. Und darüber muss man sich Gedanken machen. Mein Punkt: Der Bau der Querspange verhindert eine großräumige Denkweise, die im Moment nicht existiert. Das wird von Herrn Rauer ja zugegeben, dass kein Konzept für Kleve auf längere Sicht vorliegt.

»Ich denke, dass die Mehrheit der Klever die Querspange will.«

Frage: Wie wird sich die Situation an der Kreuzung Hotel Cleve entwickeln?

Jörg Cosar: Dies müssen wir uns ganz genau anschauen. Da müssen wir konzentriert darüber nachdenken. Sonst sind an dieser Stelle die Staus vorprogrammiert.

Heinz Falk: Und genau das meine ich: Es fehlt ein Gesamtkonzept. Wir machen mit der Querspange eine Maßnahme und es ist keiner da, der mal ausrechnet, welche Folgen das für andere Kreuzungen hat. Was passiert, wenn die Querspange kommt, und was muss man machen? Das bemängeln wir, dass diese Überlegungen nicht angestellt werden. Man darf so ein Planung nicht freigeben, so lange das nicht geklärt ist.

Jörg Cosar: Aber wir sind doch erst im Planungsprozess.

Heinz Falk: Nein, das sind wir nicht. Wir sind in einem Planungsprozess, der über keine Zahlen verfügt, die Wirkungen belegbar machen. Das ist einfach eine Luftplanung.

Frage: Wie geht die Planung denn jetzt weiter? Hat die CDU sich festgelegt?

Jörg Cosar: Ich bin als Stadtverbandsvorsitzender eindeutige dafür, aber ich höre auch die kritischen Stimmen, ich habe meine Antennen überall. Zurzeit bin ich davon überzeugt, dass die Mehrheit der Klever die Querspange will.

HINTERGRUND

Die Beschlussvorlage

In der Beschlussvorlage für den Bau der Querspange heißt es: „Es hat sich jedoch herausgestellt, dass insbesondere zu den Stoßzeiten die Kreuzung Tiergartenstraße / Gruftstraße verkehrlich stark belastet ist. Außerdem zeigt sich, dass der Durchgangsverkehr an dieser Kreuzung vielfach nicht der Bundesstraße folgt, sondern die naheliegende, weil kürzere, Straßenverbindung geradeaus durch die Innenstadt bevorzugt. Dort trägt der Durchgangsverkehr zu einem unerwünscht hohen Verkehrsaufkommen bei. Aus diesem Grund hat die Stadt Kleve den Landesbetrieb Straßenbau gebeten, eine Straßentrasse zu entwickeln, die zur Entlastung des Kreuzungspunktes Tiergartenstraße / Klever Ring / Gruftstraße und der Innenstadt beiträgt."